Fulda (cif). "Ich freue mich sehr, dass dieses Zusammentreffen stattfindet", betonte bei seiner Begrüßung im Bischofshaus der Fuldaer Bischof Dr. Michael Gerber gegenüber der Caritas-Gästegruppe aus Polen: "Schön, dass Sie da sind und wir die Möglichkeit zum Austausch haben."
Gruppenfoto der polnischen Gästegruppe mit Bischof und Caritasdirektor im Garten des Bischofshauses.C. Scharf/Caritas FD
Zurzeit hat der Caritasverband für die Diözese Fulda wieder sechs Seniorinnen und Senioren aus dem östlichen Nachbarland zu Besuch. Sie alle haben während der Zeit des zweiten Weltkriegs als Kinder und Jugendliche Verfolgung und Gewalt durch das deutsche NS-Regime gegen sich und ihre Familien erfahren müssen.
Im Rahmen der Versöhnungsarbeit zwischen den Deutschen und den Polen vermittelt das Maximilian-Kolbe-Werk in Freiburg den betroffenen polnischen Senioren Erholungsaufenthalte in Deutschland. Die Caritas im Bistum Fulda nimmt alljährlich eine solche Gruppe auf und bringt sie im Bonifatiuskloster Hünfeld unter. Begleitet ist die Fuldaer Gästegruppe diesmal durch den Dolmetscher Wieslaw Cislak und durch die ehrenamtliche Betreuerin der Caritas, Gisela Bauer, die mit den Gästen ein touristisches Programm durchführt. Wichtig während des Aufenthalts sind aber auch die offiziellen Termine wie der Empfang beim Bischof und Zeitzeugengespräche mit jungen Menschen, die so noch aus erster Hand Berichte über die Verfolgung durch das nationalsozialistische Regime erhalten können.
Gruppenfoto mit einigen Schülerinnen und Schülern sowie Dozentinnen der Pflegeschule sowie der polnischen Gästegruppe nach dem Zeitzeugengespräch in der Pflegeschule.C. Scharf/Caritas FD
Ein solches Zeitzeugengespräch hatte zuvor schon in der Fuldaer Caritas-Pflegeschule stattgefunden, wo die polnischen Seniorinnen und Senioren mit Pflege-Schülerinnen und
-Schülern zusammengetroffen waren. Zunächst hatte dort Diözesan-Caritasdirektor Dr. Markus Juch alle Anwesenden begrüßt und gleichfalls die Wichtigkeit solcher Begegnungen und Gesprächsrunden zwischen den Generationen unterstrichen: Zeitzeugengespräche seien ein unmittelbarer Beitrag zur Versöhnungsarbeit und hielten die Erinnerung daran wach, zu welchen Grausamkeiten Menschen im Auftrage eines totalitären Staates wie NS-Deutschland imstande seien. Anschließend berichteten die polnischen Gäste über ihre unmittelbaren Erfahrungen mit den Nazi-Schergen. Eine Zeitzeugin erzählte zum Beispiel, dass sie als Tochter einer Zwangsarbeiterin in Sachsen zur Welt gekommen und sogleich ins Waisenhaus gebracht worden war. Erst nach dem Krieg konnte ihre Mutter sie mit Hilfe anderer Menschen wiederfinden, als sie schon einige Jahre alt war. Die Schülerinnen und Schüler stellten anschließend an die Berichte zahlreiche detaillierte Fragen und thematisierten dabei auch aktuelle Bezüge wie etwa den Ukraine-Krieg. Insgesamt zeigten sich alle betroffen von den persönlichen Schicksalen der sechs Zeitzeugen und von den damaligen Verhältnissen, die solche Erfahrungen überhaupt möglich gemacht hatten. Vor allem aber äußerten sie sich dankbar für den Austausch und das Vertrauen.
Im Bischofshaus während des Gespräches.C. Scharf/Caritas FD
Auch Bischof Gerber ließ sich bei seiner Zusammen-kunft mit den Seniorinnen und Senioren, die alle aus jüdischen Familien stammen, ausführlich berichten, was ihnen als Kindern widerfahren war. Anschließend sprach man in der Runde noch angeregt über die Möglichkeiten zur weiteren Aussöhnungsarbeit in der Zukunft, und wie jeder einzelne dazu beitragen kann. Der Bischof verabschiedete die Gäste nach dem Gespräch mit einem kleinen Geschenk und wünschte ihnen eine insgesamt erholsame Zeit in der Region Fulda.